Von der widerspenstigen Zähmung

Ein Blogbeitrag der ehemaligen Kollegin Lady Melody

Knallharte Psychodiagnostik mit Frau Dr. Katz

Die Justizvollzugsanstalt Hannover steckt in Schwierigkeiten. Ein auf Lebenszeit inhaftierter Gefangener soll erneut den Richtern vorgeführt werden. Eigentlich schien der ganze Fall bereits erledigt, doch nun soll auf öffentlichen Druck hin die Zurechnungsfähigkeit des Häftlings überprüft werden.

Zum Glück gibt es Frau Dr. Katz. Von meinen zahlreichen Alter Egos ist sie wohl eine der Strengsten. Sie ist promovierte Psychotherapeutin und eine überzeugte Verfechterin des klassischen Behaviorismus – des Prinzips von Belohnung und Strafe. Ihre ausgefeilten Verhörtechniken stellte sie bereits in den Dienst verschiedenster Haftanstalten und konnte mit Koryphäen der Branche von Teheran bis Nordkorea zusammenarbeiten. Sie trägt meist eine große, schwarze Brille und einen streng nach hinten gebundenen Knoten im Haar, aber von ihrer liebreizenden Erscheinung sollte mann sich nicht täuschen lassen: Sie ist ein Profi durch und durch, und sie lässt sich nichts vormachen.

Der Häftling wird durch das Wachpersonal zu ihr transportiert und muss sich in ihrem Behandlungszimmer einfinden. Aus Sicherheitsgründen ist er dabei selbstverständlich an seiner Bank fixiert. Aufgrund des außerordentlich komplexen Falles hat sich Frau Doktor dieses Mal für ein psychoanalytisches Verfahren entschieden: Den Rohrschach Test. Beim Rohrschachtest wird dem Objekt, äh, dem Patienten eine Reihe abstrakter Tintenflecken gezeigt. Um auch den verborgensten unterbewussten Prozessen auf die Spur zu kommen, ist die Aufgabe dabei lediglich, ganz spontan zu sagen, was man in diesen Tintenflecken sieht. Ganz einfach, oder?

Schön wär’s. Denn natürlich wäre Frau Dr. Katz nicht Frau Dr. Katz, wenn sie sich mit den einfachen, erstbesten Antworten sofort zufrieden geben würde. Von wegen – sie analysiert und erkennt sofort, wann ihre Testperson lügt, wann sie nur die halbe Wahrheit erzählt und wann jemand gar versucht, sie zum Narren zu halten. Das ist wirklich nicht zu empfehlen –Sie spricht sämtliche Ungereimtheiten an, sie harkt nach, so lange bis sie ihren Patienten dort hat, wo sie ihn haben will – mit dem Rücken zur Wand, verstrickt in Widersprüche und überfordert von ihrer intellektuellen Überlegenheit. Und hier ist keine Schmuse-Therapie zu erwarten. Wenn es erforderlich ist, konfrontiert sie ihr Testobjekt gnadenlos mit all den Schwachstellen, Komplexen und selbstgemachten Illusionen, die diesem vielleicht selbst nicht einmal bewusst waren.

Ist das Testobjekt renitent, so sieht sie sich gezwungen, ihren Probanden mit den sogenannten „erweiterten Verhörmethoden“ auf die Sprünge zu helfen. Dabei greift sie auf Methoden der körperlichen Züchtigung genauso zurück wie auf die berühmte „weiße F…“, bestehend aus Sinnesentzug, Reizüberflutung oder Stresspositionen. So kommt sie am Ende immer zu einer treffsicheren Diagnose – aber ihre Testobjekte sind letztlich meist erleichtert, die Diagnostik überstanden zu haben und zu wissen, dass das abschließende Gutachten von Dr. Katz schlussendlich streng, aber gerecht sein wird.

Ist die Testperson schließlich wieder weg, so ist ihr langer Tag aber noch nicht zu Ende: Ganz die Gewissenhafte schreibt sie am Ende natürlich ein umfassendes psychologisches Gutachten und schickt es, je nach Situation an die weiteren Behandler oder an die Testperson.

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