SM als Psychohygiene?

Was Domina-Sein für mich bedeutet

Meine Berufung als Domina bedeutet für mich mehr als bloße Arbeit mit dem Ziel schneller Lustbefriedigung.

Zunächst einmal vorweg: An schneller, akuter Lustbefriedigung ist nichts auszusetzen. Die eine gönnt sich ein Sahnestückchen am Nachmittag, der andere einen spontanen Besuch im Dominastudio. Beides ist lecker, macht Spaß und verhilft zu Genuss, Entspannung und Zufriedenheit.
Aber für mich ist meine Arbeit viel mehr. Was sie im einzelnen kann und bewirkt, hängt natürlich individuell von den Gästen ab: mit welchen Themen sie zu mir kommen, was ihr Hintergrund ist, was ihre Fantasien und Sehnsüchte und was sie bereit sind, daraus zu ziehen.
Aber immer steht meine Arbeit zumindest an einer Stelle, nämlich der, dem Gast etwas zu geben, das er in seinem restlichen Alltags- und Privatleben so nicht bekommt. Auch das kann die unterschiedlichsten Gründe haben – vielleicht hat er keine Partnerin, oder aber eine Partnerin, die an SM nicht interessiert ist, oder die nicht einmal von seinen Neigungen weiß. Der Wunsch, mittels SM etwas zu bearbeiten, das mit einer Partnerin, mit Freunden oder Verwandten so nicht bearbeitet werden kann oder soll, oder aber der Wunsch, etwas vollständig sich vom täglichen Trott Unterscheidendes zu erleben. Denn natürlich ist der Status von SM und auch käuflichen Sexpraktiken von Natur aus leicht verrucht, ein bisschen verboten, vielleicht sogar schon fast pervers, ungehörig, geheim und aus all diesen Gründen dann auch aufregend und reizvoll.
Hier ist meine Aufgabe in jedem Fall das Füllen einer Lücke und Bereitstellen der Möglichkeit, diese tieferen, dunkleren, vielleicht geheimen Gelüste ausleben zu können.
Meine Arbeit hat auch, im Gegensatz zum Ausleben derselben Praktiken mit einer privaten Partnerin, die Funktion, es meinem Gegenüber zu ermöglichen, sich gänzlich auf seine Wünsche zu konzentrieren, ohne Kompromisse und die Notwendigkeit, die Bedürfnisse einer Partnerin berücksichtigen zu müssen. Das hat man in privaten Kontexten selten, da gute Beziehungen reziprok sein sollen. Durch die finanzielle Entgeltung ist der Rahmen aber bei meiner Arbeit so gesteckt, dass sich der Klient auf die bloße Umsetzung seiner Wünsche fokussieren kann. Das ist ein ähnlicher Mechanismus wie bei der Psychotherapie. Wenn man davon ausgeht, dass therapeutische Gespräche prinzipiell auch mit engen Freunden und/oder Verwandten geführt werden könnten, da es häufig allein um eine Bewusstmachung und das Ausdrücken des inneren Erlebens geht, um Problemlöseprozesse oder sogar Heilungsprozesse anzustoßen, so wird aber auch schnell klar, dass eine Freundschaft auf die Dauer darunter leiden würde, wenn nur eine Seite permanent von sich selbst spricht. Daher (und natürlich auch noch aus anderen Gründen, wie der Professionalität der Gesprächsführung und der Wissensgrundlage des Therapeuten zu psychischen Strukturen und Prozessen, aber das sei in diesem Kontext beiseite gelassen) geht mit der Funktion des Therapeuten als professionellem Zuhörer (im Gegensatz zu einem privaten, befreundeten Zuhörer) einher, dass der Rahmen gesteckt ist, in dem sich der Klient einzig und allein seinen Themen widmen kann. Voilà die Parallele zu meiner Arbeit als Domina.
Eine weitere, relativ offensichtliche Parallele ist auch, dass wir in den Sessions psychische Thematiken bearbeiten können. Sei es die Verarbeitung von Traumata, sei es die Auseinandersetzung mit der speziellen Form von Sexualität meiner Gäste, oder sei es ganz einfach, dass sich jemand das gönnen möchte, was er gerade braucht: die Befriedigung tieferer Gelüste als persönliche Verwirklichung. Meine Arbeit ermöglicht all das und noch mehr. In meiner Eigenschaft als studierte Diplom-Psychologin habe ich den möglichen Einfluss auf die psychische Hygiene meiner Gäste definitiv verstärkt im Auge.
Das Wunderbare an meinem Beruf ist aber auch, dass er Psychisches und Physisches ganz einfach und naturgemäß verbindet. Reine Gesprächssessions kommen zwar vor, sind aber äußerst selten. Der Körper kann auf vielfältige Weise dazu dienen, psychische Thematiken zu manifestieren, auszuagieren, durch Schmerz und Restriktion den Geist ans Hier und Jetzt zu binden, über die Körperarbeit Zugang zu inneren Prozessen zu erhalten, die manchmal nicht leicht in Worte zu fassen sind. Hier setze ich das Wissen aus meiner Ausbildung in Sexological Bodywork um, nutze meine Funktion, um eine ganzheitliche Erfahrung zu bieten, um vor allem auch meine Gäste wieder in ihren Körper kommen zu lassen, denn das Spüren des Körpers und die Konzentration auf körperliche Empfindungen ist eine sehr wirkungsvolle Methode, sich präsent und vollständig zu fühlen.
Des weiteren liegt meiner Tätigkeit eine für mich unschätzbar wertvolle Möglichkeit inne, noch weiter zu gehen zu einer beinahe spirituellen Ebene. Sowohl die Erfahrung von Schmerz, als auch die von Genuss oder Hingabe und Unterwerfung, von Kontrollübergabe und dem Geschenk des Vertrauens lassen uns auch unsere Position im Zusammenhang mit dem Universum, mit der Ewigkeit und der Vergänglichkeit spüren. Dieser Ansatz mag für manche weit hergeholt, übertrieben oder schlicht uninteressant sein, hat aber in der Vergangenheit ganz unmittelbar zu überwältigenden Gefühlen der Verbundenheit, Eins-Sein mit dem größeren Ganzen, zu Erfahrungen fast religiöser Natur geführt. Für derartige Erfahrungen muss man natürlich offen sein, und ich würde sie wohl eher selten konkret als Ziel einer Session benennen, aber sie können ein Aspekt oder Nebenprodukt sein.

Was kann meine Arbeit noch? Sie ist immer auch eine Übung in sozialer Interaktion. Sie kann ein Kurzurlaub entfernt vom Alltag sein, sie kann die spielerische, fast kindliche Seite nähren, in der wir sein können, was wir sonst nicht sind und in Rollen aus unserer Fantasie schlüpfen, sie kann Läuterung oder auch Ablenkung sein, Katalysator zum Erleben verschiedener Emotionen; sie kann die Sahneschnitte darstellen, die wir uns mal zwischendurch gönnen.

All das sind Möglichkeiten, die ich gerne nutze, um das Leben und Er-leben meiner Gäste zu bereichern. Und da ich nur das tue, was ich sowohl verantworten kann, als auch ausschließlich Dinge, die mir ebenfalls ein gewisses Maß an Spaß bringen, bekomme ich selbst durch jede Session immer wieder die Möglichkeit, auch selbst zu wachsen, meinen Spieltrieb zu füttern und mich neuen Themen zu stellen. Für mich die absolute Win-Win-Situation, die meine Arbeit zu einer unglaublich komplexen Quelle immer neuer Erfahrungen und Einsichten macht.

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