Beschämt und Bewundert.

Lass und gemeinsam über diese Brücke gehen.

Unzählige Male hast du es allein zuhause schon gemacht. Zwischendurch, wenn gerade niemand hinsieht. Du gönnst dir einen kurzen Moment des Genusses, aber noch bevor du ihn richtig auskosten kannst, drängt etwas in dir, schnell wieder aufzuräumen. Also schließt du den Inkognito-Browser mit dem SM-Porno oder dem Warenkorb dieses Online-Shops, gefüllt mit Gleitgel und Analplugs. Oder du ziehst hastig die „Damenunterwäsche“ wieder aus und verstaust sie ganz hinten im Kleiderschrank. Oder du versteckst die Handschellen, die du noch nie benutzt hast, denn welche gute Feministin lässt sich schon freiwillig von einem Mann fesseln? (Gut, dass ich keiner bin 😉)
Kurz warst du in einer Traumwelt versunken. Es könnte so schön sein, doch eine innere Stimme tritt in den Vordergrund: „Schämst du dich denn gar nicht?“

BDSM und andere Spielarten abseits des heteronormativen Geschlechtsverkehrs dringt in immer mehr Schlafzimmer vor. Wenn du mich fragst, ist das eine großartige Entwicklung auf dem Weg zu einer sexuell selbstbestimmten Gesellschaft. Als einzelne Personen haben die meisten von uns allerdings so manche Fantasien und Vorlieben, für die wir uns schämen. Warum ist das noch so, in einer Zeit, in der es zu jedem Suchbegriff auf Porno-Webseiten etliche Treffer gibt. In einer Zeit, in der es nichts gibt, was es nicht gibt? Was steckt hinter der Scham und warum kann es Spaß machen, damit zu spielen?
Wir schämen uns, wenn wir gegen geltende Regeln und Normen verstoßen. Wir wollen dazugehören, uns passend verhalten, unseren Mitmenschen nicht schaden. Scham ist also eine soziale Emotion. Sie entsteht in der Interaktion mit anderen. Und wofür wir uns „schämen sollten“ lernen wir sehr früh. Manchmal ganz explizit. „Schämst du dich denn gar nicht?“, „Mädchen machen sowas nicht.“, „Männer sind stark.“ Und dann auch ganz nebenbei, wenn wir beobachten, wie sich die meisten Menschen verhalten. Was wird von anderen wertgeschätzt, worüber wird gelästert, worüber wird sich ausgeschwiegen?

Und es wird sich ausgiebigst ausgeschwiegen, über alles, was abweicht vom starken, dominanten, potenten Mann, der genau weiß was er will und der schönen, selbstlosen Frau, die sich ihm ganz selbstverständlich hingibt…

Sobald du über die Schwelle das Studio betrittst, begibst du dich in einen Mikrokosmos, in dem andere soziale Regeln gelten. Hier darfst du alles sein. Ich urteile nicht.

Ich möchte dich herausfordern, mir deine Geheimnisse anzuvertrauen. Ich halte dir Raum und Zeit bereit, dich mit mir auszuprobieren. Erzähl mir von deiner Fantasie, und ich helfe dir, sie zum Leben zu erwecken. Ohne Verstecken – nicht vor mir und nicht vor dir selbst.

Du nimmst Kontakt zu mir auf und umreißt mit zu groben Worten in einer Nachricht den Teil deiner Sehnsüchte, den du für umsetzbar hältst. Den Teil, den du gerade so aufschreiben kannst, ohne dich unverschämt zu fühlen. Du denkst, damit ist alles gesagt und wünschst dir vielleicht noch eine Augenbinde dazu. Das macht es dir leichter, schreibst du. Und das kann ich nachempfinden.

Welche Worte findest du dann für diese Sehnsüchte, wenn du sie mir nochmal schildern sollst. Ohne Maske, einfach so, bei einem Glas Wasser oder Kaffee, wenn wir uns kennenlernen. Betest du einfach nochmal die einstudierten Phrasen aus deiner E-Mail herunter, oder nuschelst hastig ein viel zu großes Stichwort ins Wasserglas, aus dem du dann sofort viele kleine Schlucke trinkst? Du weißt genau, dass du dir damit gerade Zeit kaufst, bis du wieder zu mir schauen musst und siehst, dass ich dich gleich nochmal frage, was du damit meinst. Vielleicht ärgerst du dich, dass du dir nicht schon für das Vorgespräch eine Maske gewünscht hast. Oder es wundert dich ausgerechnet jetzt, dass es hier in diesem Spielzimmer gar nicht so düster und dunkel ist, wie in so einem typischen Dungeon und du wünschst dir heimlich einen Stromausfall.

Wie fühlt es sich an, wenn ich dir tief in die Augen schaue, während ich dir sage, was ich gleich alles mit dir anstellen werde? Kannst du dich gehen lassen, während du die Augenbinde trägst? Was passiert, wenn ich dir die dann abnehme und dich dazu bringe, mir in meine Augen zu schauen? Oder in einen Spiegel?

Lass dich fallen, lass dich benutzen, lass dich bewundern, lass dich gehen.

3 Kommentare
  1. Jens
    Jens sagte:

    Die Gefühle, die in diesen Worten beschrieben sind, kommen mir so bekannt vor.

    Schon als kleiner Junge habe ich es geliebt, mich in meinem Bett zu „fesseln“ und an mir rumzuspielen – schon bevor ich wusste, was ich da eigentlich mache. Ich weiß noch, wie ich mich fragte, wieso ich mir in die Hose gemacht habe.

    Es hat mich dann lange verfolgt. Nach meinem Auszug bei meinen Eltern habe ich allerdings Dinge gekauft. Frauenunterwünsche, Strumpfhosen, Overknee-Strümpfe. Mit diesen Dingen unter meiner Kleidung habe ich auch verschämt meine Studentenwohnung verlassen. Es war ein eigenartiges Gefühl: Auf der einen Seite erhaben, auf der anderen Seite auch immer wieder nervös und ein schämen. Was, wenn das jemand mitbekäme?

    Ich war ein paar Mal im Sex-Shop. Jedesmal brauchte ich einige Anläufe, bevor ich mich traute, tatsächlich dorthin „abzubiegen“ und nicht an der Eingangstür vorbeizulaufen. Ebenso waren meine Studiobesuche. Ich war immer vor der Zeit dort und ging am Eingang vorbei, um alles auszusondern. Schaut jemand? Ist irgend etwas ungewöhnlich? Selbst, als es Zeit war zu klingenln, habe ich schon den einen oder anderen zweiten oder dritten Versuch benötigt.

    Das Vorgespräch war immer eine Tortur: Was sage ich? Obwohl ich mir im Vorfeld immer so viel Gedanken machte bekam ich vieles nicht heraus. Teils aus Scham, teils aus Angst, ob ich mich nicht überschätze, teils wirklich vergessen. Deshalb fing ich an, Dinge als Stichworte aufzuschreiben und mit der Liste in der Hand das Vorgespräch zu führen. Aber selbst damit unterschlug ich immer noch Dinge.

    Um mich zu zwingen, alles anzusprechen, habe ich dann angefangen, zwei Listen zu machen. Dann aber merkte ich, dass die Liste weniger umfangreich wurde – ich traute mich nicht, ich schämte mich.

    Zweimal habe ich Ausflüge nach draußen gemacht. Beide waren im Vorfeld nicht abgesprochen. Das erste Mal überraschte mich die Dame, dass sie mit mir einen Ausflug zum Straßenstrich machen würde. Als Frau verkleidet und mit Handschellen wurde ich die Treppe vom Studio hoch zum Ausgang geführt – mit High-Heels nicht ganz einfach, gerade, wenn man es nicht gewohnt ist. Dort wartete eine zweite Dame mit dem Auto. Ich musste mich hineinsetzen, und sie fuhr los, mitten durch Köln. Die Aufregung war groß, die Scham auch. Hier war sie allerdings auch Teil des Spiels, sie war gewollt. Als die Fahrerin einen Anruf bekam, wir sollten umdrehen, da wurde ich doch etwas ruhiger. Bis dahin war ich mir nicht sicher, ob sie das durchgezogen hätten.

    Es war schamvoll, aber es war auch aufregend.

    Das andere Mal wurde ich als Frau verkleidet, allerdings mit Gummi-Überhang, aus dem Haus geführt. Es sollte einen Spaziergang durch Köln geben. Zwei Damen begleiteten mich in ähnlicher Montur. Die Scham war groß – sehr groß. Ein Auto hielt, zwei junge Männer kurbelten das Fenster runter und schauten uns hinterher. War zu erkennen, dass ich keine Frau war? Oder dachten sie, hier drei Frauen hinterherschauen zu können?

    Die Scham wurde immer großer, allerdings steigerte sich das ganze auch zu einer Art Panik von mir. Wir mussten das Spiel abbrechen.

    Wie auch immer: Scham gehört für mich einfach dazu, bei jeder Art von sexuellem Handeln. Es wird aber mit Sicherheit nicht besser, wenn ich meiner Sehnsucht, der Unterwerfung, fröhne. Ich habe aber auch gemerkt, dass es sehr stark von meinem Gegenüber abhängt. Während bei einigen kaum ein Gefuhl der Sicherheit aufkommt, kann ich bei anderen relativ entspannen. Wirklich entspannt ist es aber nie. Fast immer kann ich die gesamte Session meinen Kopf nicht abschalten. Scham, Angst, das sind die Gefühle, die allgegenwärtig sind. Das merken die Damen bei meinen Vorgesprächen sehr gut. Von freiem Reden kann da kaum die Rede sein.

    Antworten
    • LVS
      LVS sagte:

      Hallo Jens,
      vielen Dank für deine eindrückliche Schilderung deiner Scham und der bei dir damit verbundenen Gefühle. Du erklärst schön anschaulich, wie es ist und auch, was aufregend daran ist.
      Ein Tipp für dein Vorgespräch: Manchen unserer Gäste hilft es sehr, sich Notizen mit ins Vorgespräch zu nehmen, oder, für ganz verschämte, einen Brief zu schreiben und den zu übergeben. So kannst du sicher gehen, dass du vor verschämter Aufregung nichts wesentliches vergisst. Unser Team besteht auch aus Expert*innen der Kommunikation, die sich einfühlsam deiner Scham widmen können. Lass dich aber nicht zu sehr unter Druck setzen – es ist ganz normal auch Scham zu spüren und aufgeregt zu sein.

      Antworten

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht im Blog des Studio LUX. […]

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert